Wer ich sein???

- Oder die Frage der Identität-

Von 1950 bis 1996 kamen rund 1.550.000 Aussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland- allein 1997 waren es dann knapp132.00, der Großteil davon, etwa 74.000,aus Kasachstan. Etwas über zwölf Prozent der 1997 zugezogenen Aussiedler wurden Baden-Württemberg zugewiesen.

Die Vorgeschichte:

Die Russlanddeutschen haben eine bewegte, teils über 500jährige Geschichte hinter sich. Bereits im 16. Jahrhundert hatte Zar Iwan der Schreckliche deutsche Fachleute ins Land geholt. Unter Peter dem Großen (Beginn 18.Jahrhundert) erlebte Russland eine ausgeprägte Europäisierung, Deutsche bekleideten wichtige Ämter. In der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts kamen die ersten Siedlerströme nach Russland, mit attraktiven Privilegien von der ebenfalls deutschstämmigen Zarin Katharina II, angeworben, wo sie überwiegend an der Wolga eine neue Heimat fanden. Später entstanden zahlreiche Tochterkolonien auch in anderen Gegenden- Russland war ein großes, wenig bewohntes Land. Die Deutschen sollten es bebauen und so die Staatseinnahmen erhöhen helfen.

Im späten 19.Jahrhundert entwickelte sich jedoch zunehmender Hass auf die Deutschen in Russland, die um ihrer Privilegien willen beneidet wurden. Viele Sonderrechte wurden daraufhin bald aufgehoben. So mussten die Deutschen nun auch den Wehrdienst absolvieren. Einige Emigranten zogen es vor, nach Amerika weiter zu ziehen. Im ersten Weltkrieg erreichte der Hass auf alles Deutsche seinen vorläufigen Höhepunkt und dies obwohl rund 300.000 Deutsche in der Armee des Zaren dienten. Die deutsche Sprache wurde verboten, 1915 begannen die ersten Umsiedlungen nach Sibirien, die im zweiten Weltkrieg umfassend durchgeführt wurden, allen Deutschen haftete nun das Kainsmal „Faschist" an. Diese Deportationen bedeuteten Arbeitslager, Trennung der Männer von ihren Familien und Zwangsarbeit. Eine traurig vertraute Geschichte. Dort, in Sibirien oder Kasachstan lebten die Wolga- und anderen Russlanddeutschen trotz ihrer Rehabilitierung, 1964 zum überwiegenden Teil, bis in die 90er Jahre.

Das Erbe des Krieges lastete noch lange auf der Beziehung zwischen Russen und Deutschen, der Stempel des Faschismus wollte nicht verblassen.

Erst 1990, mit der Unterzeichnung eines Abkommens über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit, zwischen dem eben frisch vereinigten Deutschland und der (noch) Sowjetunion, eröffnete eine neue Perspektive für viele Russlanddeutsche: Auswandern nach Deutschland., Zurück?

„Fremde" und „Heimat"

In Russland sprach er als Deutscher kaum Deutsch – die Kinder dort verlernten es, weil die Sprache lange Zeit verboten war. Zudem war es in Zeiten des Krieges und der Verbannung notwendig, so wenig deutsch wie möglich zu erscheinen, denn Deutsche, das waren die Faschisten.

Wenn jemand meinen russischen Akzent hört, spüre ich direkt die Reserviertheit.

Viele Gemeinden klagen, dass die Russlanddeutschen oft in großen Gruppen unter sich leben und überwiegend Russisch sprechen (ihre Muttersprache?).

"Ich bin deutsch"

Wenn jemand meinen russischen Akzent hört, spüre ich direkt die Reserviertheit.

Viele Gemeinden klagen, dass die Russlanddeutschen oft in großen Gruppen unter sich leben und überwiegend Russisch sprechen (ihre Muttersprache?).

Der Russlandsdeutsche, in seiner Heimat Russland als Deutscher gefühlt- hier, in seiner Heimat Deutschland, fühlt er sich wie ein Russe. Eingebürgert und auch integriert, aber immer etwas fremd, immer ein wenig als Fremder betrachtet. Man kann sagen, er hat zwei Heimaten- oder gar keine.

Die Geschichte der Russlanddeutschen ist eine sehr bewegte und bewegende, in lokaler wie auch mentaler Hinsicht. Viele Zeitgenossen wettern auf die Russen, wittern den langen Arm der „Russenmafia".

Der schnellen Einbürgerung der Spätaussiedler von Wolga und Ukraine, aus St. Petersburg und Kasachstan wird teils mit Unverständnis begegnet. Weil sie vor Hunderten von Jahren bereits ausgewandert sind, oft kaum deutsch sprechen, warum sollten sie dann jetzt auf einmal Deutsche sein? Wer die Geschichte genauer betrachtet, erkennt aber, dass diese „Russen" genau und nur aus diesem Grunde verbannt, verfolgt und erniedrigt, ihrer kulturellen und nationalen Identität beraubt worden sind: weil sie Deutsche waren!