Netzwerkbeschreibung
1. Allgemeines Ziel: Europäische Unionsbürgerschaft
COMCULT steht für "Common Culture" eine gemeinsame Kultur.
Hauptziel des Netzwerks ist es, Werte zu beschreiben und zu verbreiten,
die für das friedliche Zusammenleben in Europa notwendig sind,
und um die rein juristische Beschreibung einer Unionsbürgerschaft,
wie sie im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
definiert wurde, auch mit Leben und innerer Zustimmung zu erfüllen.
Die Identifikation mit gemeinsamen Werten, mit den Rechten und Pflichten
einer Unionsbürgerschaft wird für alle Unionsbürger ein
mehr oder minder langer Prozess sein, in den das kulturelle Erbe eines
jeden Bürgers mit einfließt und umgekehrt, wird dieser Prozess
auch Einfluss nehmen auf kulturelle Besonderheiten einzelner sozialer
Gruppen, Ethnien und Völker innerhalb der Europäischen Union.
2. Konkrete Ziele
Nutzung des Wissens von Experten aus der Wissenschaft und von
bereits abgeschlossenen COMENIUS-Projekten
Erarbeitung von Unterrichtsmaterialien, die den Lehrern/innen
eine neue europäische Sichtweise in der Werteerziehung erleichtern.
Auslösen einer transnationalen Diskussion und Kommunikation
über Wertungsfragen und Identitätsfindung im Schulbereich
Hineintragen dieser Diskussion in die Öffentlichkeit.
Dies ist auch deswegen notwendig, da die Massenmedien z.Z. noch weitgehend
national orientiert sind und eine Kritik am Abweichen vom europäischen
Wertekanon häufig noch als Einmischung in die inneren Angelegenheiten
eines Mitgliedslandes empfunden wird, da das Bewusstsein von gemeinsamen
Werten unterentwickelt ist.
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3. Themen
Aus organisatorischen Gründen wurde das generelle Thema "Werteorientierung
oder Werteerziehung" in vier Unterthemen unterteilt:
Thema 1
Gemeinsame und unterschiedliche Werte der drei monotheistischen Religionen,
Judentum, Christentum und Islam (Interreligiöser Dialog)
Obwohl die Zahl der Juden nach den Verfolgungen und Massenmorden vor
und während des 2. Weltkrieges in den europäischen Ländern
relativ klein ist, gibt es in einigen von ihnen nach wie vor einen z.T.
offenen oder verdeckten Antisemitismus.
Eingedenk der katastrophalen Folgen, die dieser im 20. Jh. hatte,
müssen wir wachsam sein, dass sich diese intolerante und aggressive
Haltung nicht weiter ausbreiten kann und sich möglicherweise auch
gegen andere religiöse oder ethnische Minderheiten richtet, insbesondere
gegen Muslime, von denen allein in Frankreich rd. 4 Mio. und in Deutschland
etwa 3 Mio. leben. Beweise für religiös motivierte Diskriminierungen
und Konflikte erscheinen von Zeit zu Zeit in der Presse einiger EU-
Mitgliedsländer.
Deswegen ist es notwendig, den interreligiösen Dialog zu intensivieren,
da die Kenntnisse über die jeweils anderen Religionen bei den europäischen
Bürgern minimal sind. Dies ist nicht verwunderlich, da schon die
Kenntnis der eigenen Religion bei rd. 70 bis 80 % der europäischen
Bevölkerung kaum ausreicht, einen Dialog zu führen. Aber vielleicht
hat das Ereignis des 11. September 2001 einen Wendepunkt markiert hin
zu einer "postsäkularen" Zeit.
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Thema 2
Integration verschiedener kultureller und ethnischer Minderheiten in
nationale oder staatliche Mehrheiten (Interkultureller Dialog)
Die Notwendigkeit, ethnisch-kulturelle Minderheiten in die jeweiligen
Gesellschaften zu integrieren, ist schon heute in fast allen europäischen
Ländern gegeben und wird noch zunehmen, wenn die EU bei niedriger
Geburtenrate eine älter werdende Bevölkerung sozial und wirtschaftlich
absichern will. Allerdings fällt es den europäischen Ländern
- aus mancherlei Gründen - unterschiedlich schwer, ethnisch-kulturelle
Konflikte zu vermeiden und zufrieden stellende Integrationslösungen
zu finden. Gewaltakte mit fremdenfeindlichem Hintergrund haben gezeigt,
dass das Potential derer in Deutschland groß ist, die aus den
Übeltaten der Vergangenheit nichts gelernt haben. Aber auch in
Frankreich, Spanien, den Niederlanden oder Großbritannien kommt
es gelegentlich zu massiven ethnisch-kulturellen Konflikten. Latent
vorhanden sind sie auch in Ungarn und Bulgarien.
Intensives Nachdenken über die Hintergründe und besonnenes
Handeln sind Aufgaben für Schule, Gesellschaft und Politik in nahezu
allen europäischen Staaten.
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Thema 3
Übergang von ehemals sozialistisch organisierten Staaten in so
genannte postkommunistische Gesellschaften und in eine neue transnationale
Identität (Transformationsprozess)
Der Übergang von ehemals sozialistisch organisierten Staaten über
neue oder alte Nationalstaaten hin zu einer veränderten Rolle in
einer zukünftigen Europäischen Union war für alle Länder
des ehemaligen Ostblocks mit großen Umstellungen - und wie der
Balkan zeigt - sogar mit Kriegen verbunden. Dieser Übergangsprozess
ist immer noch im Gang und hat nicht nur eine wirtschaftliche Seite,
er beeinflusst auch das Wertesystem der betroffenen Gesellschaften tief
greifend. Modernisierer und Traditionalisten formierten sich zu politischen
Parteien, die sich z.T. auch nicht scheuen, nationale Mythen der Geschichte
zu reaktivieren, um im schlimmsten Falle gar "ethnische Säuberungen"
wie im Kosovo zu legitimieren.
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Thema 4
Separationstendenzen, regionale und nationale Identitätssuche
(Regionale Konflikte)
Obwohl sich fast alle europäischen Staaten auf einen Weg begeben
haben, an dessen Ende die gemeinsame "Europäische Union"
stehen soll, gibt es in ihr Staaten, Regionen oder soziale Gruppen,
die mit ihren derzeitigen territorialen Rechten nicht zufrieden sind
und schon jetzt Identifikationsprobleme haben. Oder ist Regionalismus
ein "Schutz" vor empfundener oder tatsächlicher Diskriminierung?
Wie kann eine Europäische Union solche Probleme lösen helfen?
Man denke in diesem Zusammenhang an Nordirland, das Baskenland, Korsika,
Nord- und Süditalien, die Balkanländer, die Türkei und
Zypern. In diesem Zusammenhang muss die Frage nach dem Wert der ethnischen
Zugehörigkeit oder des Nationalen gestellt werden, wenn transnationale
Rechte eine tragende Säule im Zusammenleben der Unionsbürger
werden sollen oder müssen.
Fällt es schon einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen
Union schwer, für alle vier Themenbereiche zufrieden stellende
Lösungen zu finden, um wie viel schwieriger wird es sein, wenn
auf europäischer Ebene gemeinsame Regelungen gefunden werden müssen.
Jede soziale Großgruppe, sei sie nun ein Einheitsstaat, eine Union,
eine Föderation oder ein Staatenbund, braucht einen Minimalkonsens
über Werte und Regeln, sonst bricht sie auseinander. Die Diskussion
über einen Krieg im Irak hat das wiederum sehr deutlich gezeigt.
Und auch der Verfassungsentwurf, den der Konvent am 28.10.2002 in Brüssel
vorlegte, nennt die "Wahrung der gemeinsamen Werte" als eines
der wichtigsten Ziele der EU (Art. 2 u. 3).
Aus diesen wenigen Vorüberlegungen geht hervor, dass das Thema
des COMCULT-Netzwerks in Hinblick auf die Weiterentwicklung der Europäischen
Union von gemeinsamem Interesse ist und sein muss.
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4. Lehr- und Lernmethoden
Am Anfang pädagogisch-didaktischer Zielsetzungen für die
Entwicklung von COMCULT- Unterrichtsmaterialien steht natürlich
eine Auseinandersetzung mit ethischen Theorien. Dabei sollen teleologische
Ansätze ebenso wie deontologische bedacht werden. Auch moderne
Gedanken des Kommunitarismus, des Utilitarismus und der Diskursethik
werden eine Rolle spielen auf der Suche nach den Prinzipien eines Wertekanons.
In gleicher Weise werden soziologische Analysen und politische Theorien
der Gegenwart eine steuernde Wirkung bei der Suche nach entsprechenden
Unterrichtsmaterialien haben.
Methodisch soll der Unterricht auf drei verschiedene Weisen durchgeführt
werden:
Als herkömmlicher Frontal- oder Gruppenunterricht, bei
dem die Schüler/innen ihre Kenntnisse anhand vorgegebener Materialien
und den Erklärungen des Lehrers oder der Lehrerin erwerben.
Als fächerübergreifender und internetunterstützter
Unterricht. Hier können die Schüler/innen Unterthemen aus
dem Gesamtbereich des Netzwerkthemas zur Bearbeitung wählen und
individuell oder in Gruppen bearbeiten, wobei sie das Internet sowohl
als Informationsquelle als auch zur Kommunikation mit anderen Schülern/innen
nutzen können - auch grenzüberschreitend.
Als internetvermittelter Unterricht. Dabei stellen Gruppen
von Schülern/innen aus den Netzwerkschulen ein gemeinsames Produkt
her. In diesem Falle soll in grenzüberschreitender Zusammenarbeit
ein digitaler Videofilm zum Thema des Netzwerks entstehen. Preise für
Camcorder und Leitungskapazitäten haben sich in den letzten Jahren
so entwickelt, dass eine solche Art der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
in den Bereich des Möglichen gerückt ist und im COMCULT-Netzwerk
erprobt werden soll.
Die unterschiedlichen Unterrichtsmethoden wurden gewählt, um
zu erfahren, mit welcher Art von Unterricht die gesteckten Ziele besser
zu erreichen sind und um bei noch folgenden Lehrerfortbildungsveranstaltungen
Vor- und Nachteile einzelner Methoden besser belegen zu können.
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5. Unterrichtsorganisation
Das COMCULT-Netzwerk möchte kein neues Schulfach "Werteerziehung"
einführen, sondern nur Bemühungen bündeln, die im Unterricht
der europäischen Länder
nur teilweise vorkommen, insbesondere im Religions- oder Ethik/Moralunterricht
und
im Politik- oder Geschichtsunterricht.
Manchmal werden besondere Konfliktsituationen auch im Mutter-
oder Fremdsprachen-
unterricht behandelt, ohne dass die Lehrer/innen dafür ausreichend
geschult sind.
Meistens herrscht aber, wenn überhaupt darüber gesprochen
wird, ein nationaler Blickwinkel vor.
In seiner praktischen Organisation hat das COMCULT-Netzwerk diese Lage
wohlbedacht und die Unterthemen so gewählt, dass sie auch getrennt
und je nach geographischer Lage der Partnerinstitution mit unterschiedlicher
Gewichtung unterrichtet werden können. Allerdings wäre das
in Hinblick auf das gemeinsame Zusammenleben in der EU nicht optimal,
da gerade das Verständnis der Gesamtzusammenhänge eine notwendige
Basis für sachorientiertes politisches Handeln ist, das das Ganze
im Auge hat.
Auf jeden Fall werden Beispiele vorgelegt, wie durch eine Bündelung
von Aspekten das Bewusstsein von einer "Gemeinsamen Kultur"
gefördert werden kann. Zweifellos ist der Blickwinkel im Schulwesen
mancher EU-Länder neu, aber ohne Pilotprojekte wird es zu keiner
vertieften Auseinandersetzung kommen und schon gar nicht zu einem transnationalen
(europäischen) Verständnis.
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6. Wer profitiert vom Netzwerk?
Jugendliche in vielen europäischen Ländern bekommen
eine tiefere Einsicht in die Grundlagen unseres Zusammenlebens in der
EU und in die Bedeutung eines gemeinsamen Wertekanons. Sie werden zum
selbständigen Lernen und Kommunizieren angeleitet.
Generell werden Lehrer und Lehrerinnen durch die Arbeit im
Netzwerk vermehrt im Team arbeiten müssen, und ihre Rolle gegenüber
den Schülern/innen wird eher eine beratende werden als eine, die
nur Wissen vermittelt.
Ähnlich groß ist auch der Nutzen des Netzwerks für
viele Fremdsprachenlehrer, die bei einer Ausdehnung des bilingualen
Unterrichts auf die Fortbildung in anderen Fächern angewiesen sind.
Dies trifft besonders für alle EU-Länder zu, in denen das
Einfachlehrerprinzip vorherrscht, und das sind die meisten.
Eine besondere Zielgruppe in einigen europäischen Ländern
sind Lehrer/innen, die Ethik oder vergleichende Religionskunde unterrichten
müssen für Jugendliche, die nicht am Religionsunterricht der
christlichen Kirchen teilnehmen oder für Muslime, die keinen Islam-
Unterricht bekommen. Die Lehrer/innen sind in der Regel für diesen
Unterricht nicht ausreichend vorbereitet, da es an den Universitäten
keine adäquate Ausbildung gibt, in Deutschland und Frankreich auch
nicht für Islam-Lehrer an öffentlichen Schulen.
Werteerziehung ist aber nicht nur eine Sache der Schule. Ohne
die Mitarbeit von Eltern kann die Schule nur wenig erreichen, und auch
die Schulverwaltungen und Bildungspolitiker müssen überzeugt
werden, in den Schulen die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen
zu schaffen, damit die Werteerziehung optimal durchgeführt werden
kann. Auch diese außerschulischen Zielgruppen sollen auf eigens
organisierten regionalen Tagungen durch das Netzwerk angesprochen werden.
Schwer abzuschätzen sind Auswirkungen auf die Bildungspolitik,
da sich hier Reformphasen mit Zeiten relativen Stillstandes ablösen
und diese Phasen auch nicht in allen europäischen Ländern
gleich sind. Aber es scheint, dass nach der Veröffentlichung der
PISA-Studie in einigen Ländern die Notwendigkeit für Reformen
erkannt wurde und somit die Ergebnisse des COMCULT- Netzwerks einen
wichtigen Diskussionsbeitrag liefern können, besonders in Hinsicht
auf eigenverantwortliches Lernen und die damit verbundenen curricularen
und schulorganisatorischen Voraussetzungen (z.B. in sog. Seminarkursen).
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7. Inwiefern ist das Netzwerk innovativ?
Es bringt ein Thema von gemeinsamer Bedeutung für die Fortentwicklung
der EU in den Unterricht und in die öffentliche Diskussion.
Es erweitert den historisch-politischen Blickwinkel des bisherigen
Unterrichts auf gesamteuropäische Zusammenhänge, inklusive
Mittelost- und Südosteuropas.
Es zwingt zu einer intensiven fächer- und grenzüberschreitenden
Kooperation im Lehren und Lernen.
Es fördert eine interkulturelle Erziehung und bekämpft
Gewalt, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und soziale Ausgrenzung.
Es erprobt neue Wege beim Projektunterricht durch den Einsatz
von Camcordern in Verbindung mit dem Internet (IKT).
Es quantifiziert Unterrichtswirkungen durch den Einsatz eigens
entwickelter Tests.
Es liefert Vergleichsdaten zur Bewertung verschiedener Unterrichtsmethoden
und fördert die didaktisch-methodische Diskussion auf Lehrerfortbildungstagungen.
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