EDUVINET Home

Der Euro-Finanzmarkt







By Harry Schröder of Commerzbank Frankfurt, GERMANY, 1998

Contribution to the EDUVINET "European Monetary Union" subject







Mit der Europäischen Währungsunion entsteht nicht nur der – nach den USA – zweitgrößte Aktien- und Anleihemarkt der Welt. Wenn man zusätzlich Bankkredite einbezieht, handelt es sich hier sogar um einen Finanzmarkt in der gleichen Größenordnung (Tabelle 1, letzte Zeile). Nach dem künftigen Beitritt weiterer EU-Staaten – insbesondere Großbritanniens – wird der Euro-Finanzmarkt sogar das Volumen der USA übertreffen. Die elf Teilnehmerländer der ersten Runde verfügen bereits über eine Bevölkerung und ein Inlandsprodukt, das dem der USA entspricht, sowie fast ein Vierfaches an Währungsreserven.

Der erste Eindruck vergleichbarer Größenordnungen darf aber nicht über wichtige Strukturunterschiede hinwegtäuschen: Im Euroland fehlt der große zentrale Emittent, der zugleich die Benchmark bildet. Zum anderen sind Aktien- und Anleihemärkte vergleichsweise unterentwickelt; der größere Teil der Finanzintermediation vollzieht sich über Bankbilanzen.

Der Prozeß der Disintermediation ist aber bereits im Gange, und zwar auch unabhängig von der Währungsunion; er entspricht zugleich einer Institutionalisierung der Ersparnis (Tabelle 2). Die größeren deutschen Universalbanken bauen ihr Investmentbanking stark aus; das traditionelle kommerzielle Geschäft – Kredite und Einlagen – verliert relativ an Bedeutung. Mit Einführung der einheitlichen Währung werden weitere Impulse erwartet: Der größere Kapitalmarkt wird für Investoren und Emittenten auch außerhalb Europas attraktiver (vgl. Abschnitt „internationale Rolle"). Versicherer und Pensionsfonds werden bei zunehmendem Wettbewerb im Euro-Gebiet nach höheren Renditen streben: Dies begünstigt nicht zuletzt den bisher stark unterentwickelten Sektor der Industrieanleihen. Positiv wirkt die Begrenzung der staatlichen Neuverschuldung, die Raum schafft für private Anleihe-Emissionen (crowding-in). Für Unternehmen kann die Begehung von Anleihen auch dann interessant sein, wenn die Kosten nicht günstiger sind als bei einer Bankfinanzierung: Eine Steigerung des Bekanntheitsgrades, Werbung und die Erschließung neuer Geldquellen sind wichtige Gründe für eine Anleiheemission aus Unternehmenssicht.

Der Kapitalmarkt der Euro-Länder ist bisher nicht nur durch Währungen zersplittert, sondern auch durch unterschiedliche Usuancen, so bei der Zinsberechnung. Die bereits verabredete Vereinheitlichung – auf Verwendung der tatsächlichen Tage bei Zinsperiode und Jahr – bedeutet einen Modernisierungsschub. Die abweichende Methode am Geldmarkt – tatsächliche Tage zu 360 – zeigt, daß hier der Gleichklang mit außereuropäischen Märkten größeres Gewicht hat als die Vereinheitlichung des Euro-Geld- und Kapitalmarktes. Im übrigen werden auch im inländischen Bankgeschäft der einzelnen Länder bis auf weiteres unterschiedliche Zinsberechnungsmethoden fortbestehen.

Weitere Unterschiede im einheitlichen Euro-Finanzmarkt werden bis auf weiteres hinsichtlich Rechnungslegung und Besteuerung der Kapitalerträge bestehen. Während sich bei den Bilanzierungsvorschriften auf mittlere Sicht eine größere Vereinheitlichung abzeichnet, ist dies bei der Steuerangleichung sehr viel schwieriger, zumal jedes EU-Land hier ein Veto-Recht besitzt.

Erste Ansätze einer Harmonisierung der Rechnungslegung sind durch mehrere EU-Richtlinien erreicht worden. Da weitere Fortschritte hier nur sehr schwer möglich sind, setzt die Europäische Kommission inzwischen auf die Zusammenarbeit mit dem International Accounting Standards Committee (IASC). Offen ist allerdings noch, inwieweit eine Angleichung von IAS und den amerikanischen Standards (Generally Accepted Accounting Standards, GAAP) gelingt.

Eine einheitliche Kapitalertragsbesteuerung, die das Zusammenwachsen des Euro-Finanzmarktes entscheidend fördern würde, ist bisher stets am Widerstand einzelner Länder gescheitert. Im Mai 1998 hat die EU-Kommission mit einem Richtlinien-Vorschlag einen erneuten Anlauf unternommen. Danach soll eine einheitliche Quellensteuer in Höhe von 20% bzw. wahlweise eine Meldepflicht an die Steuerbehörde des Wohnsitzlandes (Reporting system) eingeführt werden; bei Deklarierung soll der Steuerpflichtige die günstigeren Regelungen von Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen können.

Börsenzulassungsvorschriften sind zwar insoweit angeglichen als das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gilt; in der Praxis bestehen aber noch Behinderungen, so durch Vorgaben über die bei Prospekten zu verwendende Sprache; in Deutschland sind inzwischen englischsprachige Prospekte zugelassen.

Trotz dieser weiterhin bestehenden Segmentierungen – vor allem der unterschiedlichen Besteuerung von Kapitalerträgen – wird mit Beginn der Währungsunion im wesentlichen ein einheitlicher Finanzmarkt entstehen. Alle Staatsanleihen werden im Januar 1999 auf Euro umgestellt; das gleiche gilt für die meisten größeren privaten Emissionen. Alle Börsen- und Wertpapierabwicklungsstellen werden ab 4. Januar auf Euro-Basis arbeiten.

Wesentliche Konsequenz ist neben dem erwähnten Sekuritisierungsschub ein generell zunehmender Wettbewerb unter den Akteuren – Banken, Wertpapierhäusern, Börsen, Clearing-Organisationen sowie unter den führenden Finanzplätzen –, der sich bereits im Vorfeld abzeichnet:

Der Wettbewerb im Euro-Raum wird letztlich zu einer Konsolidierung, d.h. Konzentration bei Anbietern und Plätzen führen. In Europa bestehen 31 Wertpapier-Börsen gegenüber neun in den USA sowie 23 Terminbörsen gegenüber sieben in den USA. Bei letzteren ist eine stärkere Konzentration bereits vollzogen: auf London (LIFFE), Frankfurt (DTB) und Paris (Matif) entfallen 90% der Umsätze bei Anleihe-Futures.

Die enge Zusammenarbeit zwischen Frankfurt, Paris und Zürich verstärkt diesen Prozeß zu Lasten der kleineren Plätze. Daß sich ein einziger führender Platz in absehbarer Zeit neu etabliert, ist weniger wahrscheinlich. Statt dessen werden es wenige große Plätze sein bei einer unveränderten Spitzenposition von London.

Wie schnell jedoch Verlagerungen möglich sind, zeigt das Beispiel der Bund-Futures, deren Handel noch vor einem Jahr zu 70% in London stattfand; inzwischen ist das Geschäft zu 80% in Frankfurt etabliert. Da der Fernzugang (remote access) eine zunehmende Rolle spielt, ist Umsatzwachstum einer Börse nicht gleichbedeutend mit physischer Präsenz – und damit Arbeitsplätzen – im jeweiligen Finanzzentrum. Von den Mitgliedern der Deutschen Terminbörse agiert rund ein Drittel von außerhalb.

Schließlich wird der Euro-Finanzmarkt zu einem verstärkten Kapitalverkehr innerhalb Europas beitragen. Dieser Prozeß ist bereits durch den Binnenmarkt verstärkt worden, speziell die Kapitalverkehrsliberalisierung. Zwar scheint nach Wegfall der wesentlichen Renditeunterschiede wenig Anreiz für Anlagen etwa in Staatsanleihen eines Nachbarlandes zu bestehen; nennenswert höhere Erträge – verbunden mit Wechselkursrisiken – sind nur in Drittländern erzielbar. Allerdings werden konservativ agierende institutionelle Investoren eher geringfügige Zinsvorteile innerhalb des Währungsraums wahrnehmen. Solche werden sich herausbilden insbesondere durch Industrieanleihen sowie bedingt durch Ratingunterschiede zwischen verschiedenen staatlichen Ebenen.

Versicherungen und Pensionsfonds sind bisher meist nur in geringem Umfang in Nachbarländern engagiert. Da für sie Währungsbegrenzungen (matching rules) im Euro-Gebiet wegfallen und kein Wechselkursrisiko mehr besteht, gibt es einen starken Anreiz, selbst geringfügige Renditevorteile – bei vergleichsweiser Bonität – wahrzunehmen.




* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *




Folien:


Folie 1: Emu and capital markets selected background statistics, de01001.gif, 16,5 KB

Folie 2: International currencies, de01002.gif, 82,4 KB

Folie 3: Size of the capital markets (1995) - selected indicators, de01003.gif, 73,1 KB

Folie 4: Disintermediation, de01004.gif, 83,2 KB

Folie 5: Market conventions: standards for euro bond markets, de01005.gif, 29,3 KB

Folie 6: Asset structure of life insurance companies (1994), de01006.gif, 99,0 KB

Folie 7: Asset structure of pension funds (1994), de01007.gif, 109 KB

Folie 8: ECB monetary policy operations, de01008.gif, 194 KB

Folie 9: Gross government debt, by debt instrument (1996), de01009.gif, 72,1 KB

Folie 10: Competition of financial centers: euro money markets, de01010.gif, 40,1 KB

Folie 11: Central rate rule: stylised procedure, de01011.gif, 45,1 KB

Folie 12: Bilateral exchange rates (ERM), de01012.gif, 120 KB

Folie 13: The ECU currency basket, de01013.gif, 102 KB

Folie 14: ECU currency basket central rates, de01014.gif, 75,5 KB


















• • Copyright © IWB e.V. 1996-2000 Webmaster: ohlendorf@eduvinet.de • •
• • 800 x 600 recommended
• •




|Introduction & Sitemap| |EDUVINET Didactically & Methodically|  
|Full Text Teaching Materials| |EDUTALK Discussion Forum| |Link Collection|
|EDUVINET Authors| |Add your URL & Materials| |EDUVINET Logos|
|Mailinglist| |Guestbook| |Search & Search Engines| |Homepage|