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Erfahrungen beim Sammeln und Auswerten von Informationen
aus dem Internet zu bestimmten Themen


 




By Edmund Ohlendorf of IWB Radolfzell e.V., GERMANY, 1997

Contribution to EDUVINET Didactically and Methodically: Internet and Teaching




 

 



Vorbemerkungen:

 

Zwischen April und Juli 1997 unternahm ich meinen ersten Versuch, ein Unterrichtsprojekt mit Internetnutzung zu realisieren. Die didaktischen Vorüberlegungen dazu finden sich in meinem Artikel "Europäische Identität" als ein Lehr- und Lerngegenstand". Weitere methodische Gedanken kann man nachlesen in dem Artikel "Europäische Identität - Ein Unterrichtsprojekt".

Die Schüler/innen, die das Projekt durchführen sollten, waren in der Klasse 11 eines beruflichen Gymnasiums in Freiburg (Deutschland) im Alter von 17 und 18 Jahren, zwei Jahre vor ihrem Abitur. An Arbeitszeit standen rd. 10 Wochen, je 2 Stunden Unterricht in Datenverarbeitung und 2 Stunden Geschichte/Politik, zur Verfügung.

 

 

 

 

Probleme, die bei der Realisierung des Projekts auftraten:

 

1. Voraussetzungen bei den Schülern

Die Schüler kamen zum größten Teil von verschiedenen Realschulen und waren erst etwa ein halbes Jahr in der neuen Klasse. In der Nutzung des Internets hatten sie bei Beginn der Arbeit keine Erfahrung. Außerdem waren die Schüler/innen nicht gewohnt, im Geschichts- und Politikunterricht eigene Fragen zu stellen oder gar eigene Lösungswege zu entwickeln. Inhaltlich beginnt der Geschichtsunterricht in der Realschule normalerweise erst mit der Französischen Revolution, so daß die Vorstellungen der Schüler/innen über die Zeit davor sehr vage oder überhaupt nicht vorhanden sind.

 

2. Die Komplexität des Projektthemas "Europäische Identität"

Angesichts der bei den Schülern/innen gegebenen Voraussetzungen und bei dem hochkomplexen Thema war ein erfolgreicher Ausgang des Projekts von vornherein fraglich. In dieser Richtung äußerten sich auch Fachkollegen, denen ich meine Pläne während einer Fortbildungstagung zur Diskussion stellte. Trotz dieser Bedenken begann ich das Experiment, um detaillierte Erfahrungen zu sammeln.

 

3. Schulorganisatorische und administrative Bedingungen

Der Stundenplan für die Klasse 11 sah je eine Doppelstunde (90 Minuten) für Datenverarbeitung und Geschichte/Politik an unterschiedlichen Wochentagen vor. Internetzugang gab es nur in der Doppelstunde für Datenverarbeitung im Klassenraum für Informatik. Dieses erwies sich im Laufe des Projekts als zu wenig, zumal bei Anfängern. Leider ermöglichten die für diese Klasse seinerzeit gültigen Lehrpläne keine späteren Experimente mit älteren und erfahreneren Schülern, denn der Geschichts- und Politiklehrplan war nur in der Klasse 11 genügend flexibel für die zu behandelnden Themen. In den Abschlußklassen 12 und 13 musste man sich wegen regional kontrollierter Prüfungen mehr nach Lehrplanvorschriften richten. Außerdem wählten nur noch die an Informatik interessierten Schüler/innen dieses Fach in der Klasse 12 und 13. Deswegen konnte man bei dem in diesen Klassen gegebenen Stundenplan keinen internetunterstützten Unterricht in Geschichte/Politik mehr durchführen.

Schulorganisatorische und administrative Bedingungen erzwangen also einen Projektstart zu einer Zeit, in der die Schüler fachlich noch nicht ausreichend gerüstet waren.

 

4. Die Materialsuche auf dem Internet

Sehr schnell erwiesen sich die in den Themen der Schülerarbeitsgruppen enthaltenen Schlüsselbegriffe für eine erfolgreiche Suche auf dem Internet als nicht ausreichend oder zu komplex.

Ich wiederhole hier nochmals die schon an anderer Stelle genannten Themen für die sechs Arbeitsgruppen:

 

Welche Merkmale kennzeichnen Europäer?

4.1

Sie trennen Religion und Herrschaft (Staat)
Wie ist es dazu gekommen?

4.2

Sie üben Toleranz zwischen den Angehörigen verschiedener Konfessionen.
Wie hat sich das entwickelt?

4.3

Sie treten ein für persönliche und soziale Menschenrechte (Herrschaft des Rechts).
Wie sind diese Rechte entstanden?

4.4

Sie sind offen für eine pluralistische Bildung. Wissenschaft und Kultur.
Wie kam es dazu? War das immer so?

4.5

Sie schwanken zwischen Föderalismus und Nationalismus/Zentralismus.
Wie entstanden beide Organisationsprinzipien?

4.6

Sie sind Anhänger einer pluralistischen und parlamentarischen Demokratie.
Wie kam es dazu?

 

Die 10 Doppelstunden für Geschichte/Politik musste ich dazu nutzen, zu erläutern, was mit den einzelnen Themen genau gemeint war und insbesondere, welche historischen Prozesse jeweils zu den heute für Europäer typischen Merkmalen geführt hatten. Parallel dazu verlief die Materialsuche im Internet während der Doppelstunde für Datenverarbeitung.

Ich war überrascht, wie wenig brauchbare Informationen 1997 in deutscher Sprache zu den gegebenen Themen auf dem Internet zur Verfügung standen. Außerdem waren die Informationen sehr fragmentarisch, häufig mit einer ganz anderen Zielrichtung publiziert von höchst unterschiedlichem Niveau und Informationsgehalt. Das reichte von kaum zu verstehenden Ausschnitten aus Habilitationsschriften und Doktorarbeiten bis zu privaten Äußerungen mit z.T. versteckten Tendenzen.

In englischer Sprache war das Material etwas vielfältiger, aber natürlich wenig auf Europa bezogen, da es von amerikanischen Autoren oder Institutionen publiziert worden war.

Die anfängliche Weigerung der Schüler/innen, auch Texte in englischer Sprache außerhalb des Englischunterrichts zu bearbeiten, konnte ich überwinden, indem ich die Eltern zu einer gemeinsamen Sitzung am Abend einlud und ihnen erklärte, worum es beim internetunterstützten Unterricht geht. Die Eltern stimmten der neuen Weise des projektorientierten Unterrichts weitgehend zu, obwohl auch über spezifische Schwierigkeiten diskutiert wurde.

Ich möchte hier nur ein Beispiel für solche Schwierigkeiten geben: Das Finden von geeigneten Schlüssel- oder Suchbegriffen für die Suchmaschinen, die zu den Materialien hinführen, welche man für die Beantwortung bestimmter Fragen benötigt. Wie kommt man beim Thema 4.1 "Trennung von Religion und Staat" auf folgende Schlüsselwörter ® Constantinus, ® Arianismus, ® Augustinus, ® Investiturstreit, ® Reformation, ® Absolutismus, ® Aufklärung, ® Kulturkampf, ® Konkordate (Kirchenverträge), wenn der eigene historische Überblick noch nicht so weit reicht?

Aber auch bei solchen im Rahmen der Geschichte gängigen Begriffen sind manche Suchmaschinen überfordert bzw. wenig fachlich geordnet. So gab es z.B. unter dem Stichwort "Aufklärung" in einer Suchmaschine Hinweise (Links) auf

® UFO Aufklärung Unbekanntes Flugobjekt - fliegende Untertasse

® Kinderaufklärung

® Gesundheitsaufklärung

® Sexualaufklärung

® Aidsaufklärung.

Ein Hinweis auf eine historische oder philosophische Epoche fehlte.

 

Da hilft nur das Ausweichen auf eine andere Suchmaschine. Aber dann kann es passieren, daß man zwar einige Seiten voller Hinweise auf alle möglichen Titel bekommt, in denen das Wort "Aufklärung" vorkommt, aber zur eigenen Fragestellung wenig beitragen. Auch das entsprechende englische Stichwort: "Enlightenment" erleichtert mit seinen zahlreichen Links nicht das Finden brauchbarer Volltext.

 

5. Resultate der Projektarbeit

Die Sammlung von Webseiten mit unterrichtsrelevanten Informationen, welche die Schüler/innen nach 10 Wochen herausgesucht hatten, war höchst fragmentarisch, und eine Auswertung der Texte gelang nur in Ansätzen bei wenigen Schülern/innen. Die meiste Zeit war beim Suchen und Surfen auf dem Internet verlorengegangen, und eine nennenswerte Einsicht in inhaltliche Zusammenhänge der einzelnen Gruppenthemen wurde nicht erreicht.

Ich muss zugeben, dass ich nach dieser Erfahrung ziemlich ernüchtert und frustriert war. Aber ich gab nicht auf, sondern wiederholte das Projekt 1998 mit zwei Schülerinnen und einem Schüler auf freiwilliger Basis außerhalb des normalen Unterrichts.

Mit mehr Erfahrung bei der Sucharbeit im Internet und mit dem größeren Interesse der kleinen Schülergruppe waren die gefundenen Materialien besser zu gebrauchen als beim ersten Versuch. Die kleine Gruppengröße erlaubte auch eine wesentlich intensivere Beratung beim Suchen und insbesondere bei der Auswertung der Materialien.

 

6. Bedingungen für einen erfolgreichen internetunterstützten Unterricht

6.1 Internet

Zunächst muß genügend Material auf dem Internet verfügbar sein. Diese Bedingung ist in den Naturwissenschaften eher erfüllt als in den Geisteswissenschaften. Außerdem sollte schulrelevantes Material nicht zu viele Seiten haben und in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden vorhanden sein. Eine kommentierte Linkliste kann Suchzeit einsparen.

6.2 Schüler/innen

Für komplexe Aufgaben benötigen die Schüler/innen Interneterfahrung und einen hinreichenden fachlichen Kenntnisstand. Kleine Arbeitsgruppen mit eigenem Interesse an der Sache sind die beste Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektarbeit.

6.3 Lehrer

Man sollte die Aufgaben auf begrenzte Bereiche konzentrieren. Eine gewisse Vorauswahl kann hilfreich sein, insbesondere dann, wenn nicht viel Zeit zur Verfügung steht. Komplexe Aufgaben sollten vorstrukturiert werden, damit die Schüler Teilaspekte besser einordnen können. Immer muß man genügend Zeit für persönliche Beratung einplanen, denn man erwartet von den Schülern eine Arbeitsweise, die bei Universitätsstudenten selbstverständlich ist, aber in den meisten Fällen von Schülern nicht vorausgesetzt werden kann. Auch Beratungszeit ist Arbeitszeit der Lehrer und muß auf die Dauer angerechnet werden.

 

6.4 Schulorganisation und administrative Bedingungen

Im Curriculum und im Stundenplan muß Projektarbeit und fächerübergreifendes Lehren und Lernen einen festen Platz bekommen bzw. zeitlich eingeplant werden, wobei das Internet gleichzeitig von mehreren Arbeitsplätzen aus erreichbar sein muß. Ebenso wichtig sind klare Bestimmungen oder Abmachungen über die Bewertung von Leistungen, die im internetunterstützten Unterricht erbracht werden.

 

 

Insgesamt erfordert dieser Unterricht ein neues überdenken vieler schon vorher diskutierten didaktisch-methodischen Prinzipien. Aber ich glaube, die Mühe lohnt sich, denn die ICT (Informations- und Kommunikationstechnik) oder die computervermittelte Kommunikation (CMC) werden in Zukunft eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft spielen.















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